Unter "Die große Verwirrung" schreibt Winni Geipert im "Strandgut Frankfurt":
Wilfried Fiebig, der Mitbegründer des Ensembles 9. Nov.; ist ein Allrounder auf hohen Niveau. Zu seiner neuesten Produktion, einer – wie stets eigenwilligen – Adaption von Iwan Gontscharows großen Roman "Oblomow" (1859), steuert der Philosophie- und Kunstlehrer nicht nur die Regie, die Textfassung, die Dramaturgie, die Kostüme sowie das Bühnenbild in Idee und Fertigung (aus eigener Werkstatt) bei. Der hyperagile Schnell- und Vielredner will wie Shakespaeres Zettel im Midsommernachtstraum "den Löwen auch noch spielen" und verkörpert nun, wie zum Hohn seiner selbst, die apathische Hauptfigur des untätigen 32-jährigen Adelsspross, den das moderne Leben überfordert und zugrunde gehen lässt. Fiebigs Partnerin Helen Körte beschränkt sich dieses Mal auf "Interventionen". So eröffnet der Abend "Oblomow. Zwei Lieben und ein Traum" im Gallus-Theater mit dem Bild des in seiner brusthohen Plexiglas-Tonne schlummernden Helden. Die zylindrische Form
stellt den uterusgleichen Schlafrock vor: " Wie liebe ich dich, mein Schlafrock, Gewand des Müßiggangs", hebt Oblomow an, der seinen persischen Chalat nebst seinem Bett im ersten Viertel des Buches nicht verlässt und immer wieder heimsucht. Unter der mit Mobiles aus Metallstangen übersäten Decke begleiten Janine Karthaus und Mario Krichbaum den lebenfälschlich nach St. Petersburg geratenen Protagonisten in allen anderen Rollen. SIe tragen dabei bizarre auf Alluröhren basierende Metallkostüme und hätten für die Demonstration der auf- und zuklappbaren Silberschaniere um den rührigen rechten Ellbogen der Haushälterin Agafia fast Sonderapplaus kassiert. Die spiel- und sprachsicheren Schausspieler erweisen sich als Glücksgriff und tragen nicht nur monturbedingt gewichtig dazu bei, die nicht eben unkomplizierten Beziehungen Oblomows begreifbar zu machen. Wenn man's schon nicht gelesen hat, sollte man doch die Zusammenfassung im Programmheft kennen.
Wilfried Fiebig indes mag alles erdenkliche können: Schauspieler kann er nicht, weder in der
Sprache, noch in der Mimik. Aber er ist ein Ereignis und wird mit seinem weißblonden, dichten Schopf zur Sonne, um die das Spiel von Karthaus und Krichbaum kreist. Tapsig tanzend, wie Rumpelstilzchen, lässt er uns ahnen, das seine Inszenierung "nach" Gotscharow mehr als nur Lebensrückschau eines alten Oblomow meint. Sie ließe sich als Selbsterkenntnis des Maestros lesen, mit all seinen gelebten Talenten in der Kritik nicht sehr viel weiter gekommen zu sein, als der erste große Verweigerer aus Oblomowka – 100 Jahre vor Herbert Marcuse.
Mit russischer Folklore und romantischen Liedern von Mussorgsky, Schubert, Tschaikowsky und Rachmaninow wird die Aufführng von Claudia Hornbach (Akkordeon) und Gabriele Zimmermann (Gesang) stimmungsvoll und wunderbar vorgetragen begleitet. Großer Applaus